Swissalpine 2020

Swissalpine K68 - Laufen trotz Corona

Zurück in Davos: Nach dem ich hier 2017 - bei der letzten Austragung des altehrwürdigen Swissalpine K78 - meinen ersten Ultramarathon gelaufen bin, durfte ich in diesem Jahr auch an der ersten Austragung des neuen Format's, dem K68, am Start sein.

Die Strecke ist nun zwar 10km kürzer und weist mit rund 2800HM in etwa gleich viel Steigung und Gefälle auf wie zuvor, die nackten Kennzahlen vermögen jedoch die Schwierigkeit der Aufgabe nicht zu vermitteln. So verläuft das aktuelle Format zu grossen Teilen auf alpinen Singletrails, was vor allem das Bergablaufen anspruchsvoller, kräftezehrender und nicht zuletzt auch zeitraubender macht. Die mittlere Höhe des Profils liegt auf über 2000müM und damit rund 300m höher als zu K78er Zeiten.

Der neue K68 kann sich also sehen lassen: die Strecke ist modern und landschaftlich wunderschön. Der Lauf ist aber ganz schön hart, die Ausfallquote war ziemlich hoch.

 

So brauchte auch ich, obwohl 10km weniger zu absolvieren waren, rund 20min länger als anno 2017. Der Lauf verlangte mir alles ab. Die ersten zwei Steigungen zum Scaletta- und anschliessend zum Sertigpass waren ziemlich knackig. Meine Lungen brannten, was mir völlig unbekannt war und deshalb etwas Sorgen bereitete. Zudem hatte ich den ganzen Tag mit einer gewissen Übelkeit zu kämpfen. Auf dem dritten Anstieg des Tages – hoch zur Fanezfurgga war die Luft dann völlig draussen. Als auch noch mein rechtes Knie zu schmerzen begann, war für mich klar, in Monstein werde ich das Rennen aufgeben. Es waren ja "erst" rund 35km gelaufen, also knapp Rennhälfte, und ich wusste nicht wie ich es noch bis ins Ziel schaffen sollte. Und dieser dritte Anstieg des Tages hatte es wirklich in sich: die letzten paar hundert Höhenmeter vor der Passhöhe sind dermassen Steil, man könnte gut auf allen vieren kriechen!

Fix & Fertig @ Fanezfurgga

 

Auf dem folgenden Downhill (Fanezfurgga-Monstein) konnte ich jedoch wieder den einen oder anderen Läufer überholen, die Knieschmerzen waren verschwunden und meine Laune wurde langsam besser!

Und ehrlich gesagt: Ich hatte irgendwie auch überhaupt keine Ahnung wie das geht, einen Rennen quittieren. Wo muss ich mich melden? Wie komme ich dann nach Davos? Ich hatte mich doch mit meiner Familie sowie mit Kathrin und deren Freundin Sabrina – welche beide den K23 gelaufen sind - zum Nachtessen verabredet? Und ich war ja weder verletzt noch völlig am Ende… und so lief ich einfach weiter.

Wobei "laufen" bei dem, was noch folgen sollte, mit Sicherheit nicht der richtige Ausdruck ist. Direkt nach Monstein folgte der nächste knackige Anstieg von rund 500hm um dann in stetem auf und ab bis zur Bergstation Jatzmeder. Auf diesen rund 8km bin ich mehr oder weniger nur gewandert, die kurzen Jogging-Abschnitte wurden kürzer und kürzer. Trotzdem, so weiss ich heute, habe ich sogar eher Ränge gutgemacht als verloren. Den anderen ging es also auch nicht besser. 

Von Jatzmeder bis nach Davos sind es noch einmal rund 20km. Mehrheitlich bergab – zumindest laut Profil – mir kam das irgendwie gar nicht so vor. Die Strecke war gespickt mit dutzenden kleinen (und grösseren) Gegenanstiegen. Gelaufen bin ich fast nur noch Bergab, selbst flache Passagen musste ich nun immer öfter gehen. An Aufgeben habe ich aber kein einziges Mal mehr gedacht, zu nahe war das Ziel, zu viel hatte ich schon investiert. Meine grösste Sorge war, dass ich das Rendezvous im Stakehouse verpassen könnte, so langsam wie ich noch vorankam. Ach und ja, mein eigenes Fleisch, das war mittlerweile eindeutig auch schon irgendwo zwischen "medium rare" und "well done". Ein paar Krämpfe im Quadrizepts bahnten sich noch an, liessen mich aber dann doch in Ruhe.

Die letzten drei oder gar vier Kilometer konnte ich vor lauter Heimweh sogar wieder am Stück und ohne Gehpause laufen. Ich glaube, es waren dies die einzigen Kilometer auf der zweiten Rennhälfte. 

Noch nie musste ich mir ein Finish dermassen zäh erarbeiten. Und trotzdem – oder gerade deswegen? – war und ist es ein Erlebnis welches ich nicht missen wollte. Der Zieleinlauf, auch wenn Corona bedingt ohne Zuschauer, war sehr emotional. Ich war ausser mir vor Glück! Erstens, weil ich es trotz all der Widrigkeiten geschafft hatte. Und zweitens, ganz einfach, weil ich nicht mehr weiter musste. 

Nach 8:59:08 hatte ich es also geschafft. Auch wenn ich eigentlich eine Zeit zwischen 8:00 und 8:30 angepeilt hatte, bin ich damit doch ganz zufrieden.
Erstens sind solche Strecken in Voraus immer sehr schwer einzuschätzen. Und die Zielzeiten anderer mir bekannten Läufer zeigen, dass eine Zeit um 8:00 für mich ganz sicher viel zu optimistisch angesetzt war und wohl auch bei einem optimalen Rennverlauf unerreichbar bleiben wird.
Zweitens war auch meine Vorbereitung eher suboptimal. Ich hatte zwar viel und gut trainiert, musste jedoch – COVID-19 sei Dank – meine Pläne im Frühling mehrmalig anpassen und revidieren. Es folgten Wochen mit wenig Motivation, viel Alternativtraining und dann die doch relativ kurzfristige Entscheidung den Swissalpine zu laufen. Was soll man auch anderes tun, wenn doch endlich mal wieder ein Rennen stattfindet? ;-)
Und drittens plagt mich seit Oktober 2018 meine rechte Achillessehne. Ich komme inzwischen zwar einigermassen gut damit zurecht, muss aber mit meinem Training in Intensität und Umfang immer wieder auf die Diva im rechten Fuss Rücksicht nehmen. Es gab immer wieder Zeiten, da hätte ich die Laufschuhe fast an den Nagel gehängt – an Ultra-Läufe war nicht zu denken. Insofern bin ich sehr, sehr glücklich, überhaupt wieder an einem Berglauf teilnehmen zu können. Und das sogar erfolgreich. Mit finish. Sub9! 

Corona-Massnahmen sealed

Es war schon speziell. Nicht nur, weil es die erste grössere und bekanntere Laufveranstaltung war, die nach dem COVID bedingten Lock-Down und Veranstaltungsverbot auch tatsächlich stattfinden konnte. Nein, die Massnahmen zum Schutz vor Ansteckungen waren schon deutlich zu spüren. Im ganzen Startgelände sowie auch bei der Startnummernausgabe herrschte Maskenpflicht. Die Startblöcke wurden verkleinert sowie zeitlich und räumlich getrennt. Beim Aufwärmen wurde auf genügend Abstand geachtet und gestartet wurde mit Maske, welche man auf den ersten hundert Metern in bereitgestellten Eimern entsorgen konnte. Und ich muss schon sagen, auch wenn es nervt, das war alles top organisiert und umgesetzt. An dieser Stelle auch ein riesen Kompliment an die Teilnehmer, welche sich, so wie ich das gesehen habe, ausnahmslos darangehalten haben! Ich würde behaupten, selbst wenn sich da einige "Influenzer" im Startraum aufgehalten haben sollten, hätte das Ansteckungsrisiko gegen Null tendiert.

Maske auf!

Hut ab – oder eben: "Maske  auf" – so funktionieren Laufveranstaltungen zu Zeiten von Corona!
Ich bin mir sicher, dass das Schule machen wird und dass auch wir uns für den nächsten Laufsporttag das eine oder andere in Davos abschauen können.

 

Ergebnisse des LSVW:

Mathias Huber K68 8:59:08 Rang 34 AK
Kathrin Kurtz K23 2:06:43 Rang 2 AK  - herzliche Gratulation!!
Matthias Schwank K10 47:11 Rang 6 AK

 Mathias, Matthias, Kathrin